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Ob klanglich-musikalisch, literarisch, visuell, habituell oder hinsichtlich sozialer Prozesse: Rechte Inhalte werden im RechtsRock nicht allein durch Songtexte vermittelt, sondern finden sich auf sämtlichen Ebenen, die mensch benötigt, um einen Song zu konstruieren.

Bereits die Wahl des ‚richtigen‘ Genres spielt für die extreme Rechte eine zentrale Rolle.

Die Bevorzugung und vor allem die Vernachlässigung bestimmter popmusikalischer Genres ist dabei besonders aufschlussreich. Oi!, RAC/Rock, Metal und Hardcore sind aus ihrer popmusikalischen Geschichte heraus zwangsläufig mit Attributen belegt, die Anknüpfungspunkte für rechte Inhalte bieten. Dazu gehört beispielsweise ein sehr konservatives Konzept von Männlichkeit sowie der Umstand, dass diese Genres deutlich eher als ‚weiß‘ wahrgenommen werden als beispielsweise Blues oder Reggae. Nicht zuletzt die innerhalb der rechten Szene(n) aktuell intensiv geführte Debatte um NSRap verdeutlicht, welche Rolle die Wahl des ‚richtigen‘ Genres für die extreme Rechte spielt. Darüber hinaus findet sich dann und wann auch die Verwendung bestimmter Instrumente wie zum Beispiel Trommeln, die sich im jeweiligen Kontext problemlos als rechts deuten lassen (beispielsweise als „Landsknechtstrommel“).

Zentral für die Vermittlung rechter Inhalte ist die literarische Ebene, wobei hier vor allem die Wahl bestimmter Sujets aussagekräftig ist.

Ausgesprochen populäre Sujets sind – bereits seit der Frühzeit des RechtsRock – Deutschland/Deutsches Reich, Volk, Nationalsozialismus, Germanien, Wikinger_innen, Nordisches, Rassismus, Biologismus, White Supremacy (vermeintliche weiße Überlegenheit), Jüdinnen und Juden, Ausländer, „Untermenschen“, „BRD als ZOG“ (Zionist Occupied Government/Zionistisch besetzte Regierung), Meinungsfreiheit und deren Beschränkung durch das ZOG sowie die Verfolgung bzw. Unterdrückung („Knechtung“) der extremen Rechten.

In jüngerer Zeit neu hinzugekommen sind ein deutlicher Antikapitalismus, Globalisierungskritik, Umweltschutz, Anti-Drogenkampagnen und in bemerkenswertem Maße auch sexuelle Gewalt gegen Kinder.

Inhalte wie diese werden zumeist schon bei der Wahl des Bandnamens berücksichtigt, aber auch die Titel von Alben, CDs oder Konzerten (besonders Festivals) stammen in aller Regel aus diesem Reservoir an Themen. Wichtigstes Medium zur Vermittlung dieser Sujets ist selbstverständlich der jeweilige Songtext, wobei die extreme Rechte dort unterschiedliche Strategien verfolgt.

Einerseits gibt es – besonders vor der Jahrtausendwende – das Modell der „klaren Ansage“, bei dem die entsprechenden Inhalte sehr unverblümt und direkt zur Sprache gebracht werden. Während der letzten zwanzig Jahre lässt sich vermehrt jedoch auch eine zweite, etwas indirektere Herangehensweise beobachten, bei der in den Songtexten zunächst eher unverfängliche und vor allen Dingen scheinbar konsensfähige ‚Allerweltsprobleme‘ angesprochen werden, ehe gegen Ende des Songs (meist im letzten Drittel) der rechtsradikale Haken geschlagen wird, indem entsprechende Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt oder „die wahren Schuldigen“ benannt werden.

In allen Fällen werden auf der literarischen Ebene von der extremen Rechten vor allem auch bestimmte Sprachcodes bevorzugt: Worte wie „Kinderschänder“, „Bombenholocaust“, „Weltnetz“, „Lichtscheibe“, „T-Hemd“ usw. entstammen eindeutig dem Sprachschatz der Neonazis.

Visualisiert werden rechtsradikale Sujets in erster Linie durch die Verwendung bestimmter, mehr oder weniger verschlüsselter Farb- und Zahlencodes die auf unzähligen Albumcovern, Plakaten, Webseiten, Merchandise-Produkten oder bei der Wahl des eigenen Outfits zum Einsatz kommen.

Der klassische rechtsradikale Farbcode ist selbstverständlich das Spiel mit den Farben der Flagge des Deutschen Reichs: schwarz-weiß-rot. Darüber hinaus wird in der rechten Musikszene sehr intensiv mit Symbolen gearbeitet, wobei das Spektrum vom Hakenkreuz über den SS-Totenkopf, bestimmte Runen und konkrete ikonographische Symbole wie etwa Raben, Adler, Schwerter, Hammer usw. bis hin zur – auch in der Dark-Wave-Szene – ausgesprochen beliebten schwarzen Sonne reicht.

Zahlencodes – 88, 18, 28, 14 usw. – wiederum sind zwischen literarischer und visueller Ebene anzusiedeln: Sie kommen sowohl in Bandnamen (Sturm 18), Song- und Albumtiteln vor als auch ganz schlicht als abgebildete Symbole auf Albumcovern, Plakaten, Kleidungsstücken u.ä.

Wenn es um die Frage des Habitus geht, fallen visuelle Aspekte des Stylings naturgemäß zuerst ins Auge.

Vor allem Kleidungsstücke aller Art eignen sich zur Anbringung von Farb-, Zahlen- und Textcodes („Motto-Shirts“). Auch Uniformen, Gestapo-Mäntel, Landsermützen, Stahlhelme oder Springerstiefel bedingen einen bestimmten, als rechtsradikal erkennbaren Habitus ebenso wie körperliche Modifikationen, etwa Frisuren, Tätowierungen und Piercings.

Entsprechend ausgestattet muss zumeist nicht einmal der Hitlergruß gezeigt werden, um das Gegenüber anhand der Erscheinung als Rechte/n erkennen zu können.

Insgesamt ist in diesem Zusammenhang allerdings das immer größer werdende Problem der „Deutungshoheit“ zu berücksichtigen, ein Problem, das die Auseinandersetzung mit der extremen Rechten in den letzten Jahren insgesamt charakterisiert.

Spätestens mit dem Auftauchen der sogenannten Autonomen Nationalisten funktionieren die alten und lange eingeübten Systeme von Codes und deren Dekodierung nicht mehr. Waren die Rechten früher noch vergleichsweise einfach zu identifizieren, so nehmen die ANs mehr und mehr ehemals linke Codes – Che Guevara-TShirts, Basecaps, Palästinensertücher usw – für sich in Anspruch und schrecken auch nicht vor Rap zurück, inklusive der damit verbundenen Ausdrucksformen und Codes wie Graffiti, der Verwendung der englischen Sprache mit entsprechenden „Slang“-Ausdrücken usw.

Der zentrale Ort der Begegnung für die rechtsradikale Musikszene(n) ist das Konzert.

Hier trifft mensch sich nicht allein, um die ein oder andere Band live zu erleben, hier trifft mensch sich vor allen Dingen miteinander, um zu feiern, zu tanzen, Kontakte und Freundschaften zu pflegen, das Gefühl der Gemeinschaft zu genießen und insbesondere, um wirklich dazuzugehören und Teil eines größeren Ganzen zu sein. Das Gefühl der Zugehörigkeit wird vor allem dadurch verstärkt, dass die meisten Konzerte der extremen Rechten im Geheimen organisiert und nur unter der Hand und in den „eigenen Reihen“ beworben werden. Es bedarf also bereits im Vorhinein guter Kontakte, um bei einem entsprechenden Event überhaupt dabei sein zu können.

Darüber hinaus kommuniziert die extreme Rechte mit und über Musik vor allen Dingen über das Internet.

Während die Auftritte rechtsradikaler Bands in sozialen Netzwerken in der Regel vergleichsweise zurückhaltend gestaltet sind, sieht dies in passwortgeschützten Foren und Chatrooms deutlich anders aus: Hier werden rechtsradikale Inhalte ausgebreitet und diskutiert, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Auch und gerade Musik spielt hierbei eine bemerkenswert zentrale Rolle: Neben den gängigen Diskussionen, ob diese oder jene Band gut oder schlecht sei, finden sich hier unzählige Hinweise auf Neuerscheinungen, anstehende Konzerte und in vielen Fällen wird auch der ein oder andere Link zum Download von Songs und Alben bereit gestellt. Dabei handelt es sich in aller Regel vor allem um Musik, die entweder in Deutschland nicht zu kaufen ist oder aber bei der die extreme Rechte ein besonders großes Interesse an deren Verbreitung hat – wie beispielsweise die Schulhof-CDs der NPD.

Eine weitere wesentliche Größe im soziokulturellen Miteinander der rechten Musikszene(n) sind die Onlineversandhändler.

Diese bieten nicht nur CDs mit rechter Musik, sondern auch jede Menge Merchandise-Artikel zum Verkauf an und die finanziellen Umsätze sind in einzelnen Fällen durchaus beachtlich.

Schließlich kommt Musik auch bei Demonstrationen und Aufmärschen der extremen Rechten zum Einsatz.

Bei fast allen rechtsradikalen Demos wird ‚die Straße‘ mit entsprechenden Songs beschallt und – wenigstens einige – Teilnehmer_innen der Demo singen bekannte Hits des RechtsRock. Da eine Demonstration außerdem der perfekte Ort zur individuellen Außendarstellung ist, werden bei solchen Anlässen auch jede Menge Fan-Utensilien – T-Shirts, Buttons usw. – der jeweiligen Lieblingsband gezeigt und laden innerhalb der Demo wiederum zum Gespräch über Musik ein.